Über ein Leben zwischen zwei Kulturen, junge Führungskompetenz einer Powerfrau und das Buch „Vom Culture Clash zur Culture Harmony“
Sie sind gebürtige Wienerin mit türkischen Wurzeln. Wie gehen Sie mit Ihren beiden Identitäten um? Sind Sie in manchen Situationen eher „Österreicherin“, in manchen mehr „Türkin“?
Ich bin in Wien geboren und aufgewachsen, und daheim war meine Mama eher europäisch geprägt, während mein Papa eher traditionell war. Das hat natürlich zu ganz unterschiedlichen Sichtweisen geführt. Für mich war es oft ein Balanceakt zwischen zwei Welten, aber genau das hat mich stark gemacht. Ich habe früh gelernt, mich anzupassen, zuzuhören und kulturelle Unterschiede zu verstehen, nicht zu werten. Heute bin ich sehr dankbar dafür, weil es mir geholfen hat, mich in verschiedensten Umfeldern sicher zu bewegen.
Beide Seiten gehören zu mir. Ich habe nie versucht, mich für eine zu entscheiden, es war immer beides da. In manchen Momenten bin ich sehr direkt, sachlich und klar, da zeigt sich meine österreichische Prägung. Und in anderen Situationen kommt meine türkische Emotionalität, Wärme und Gastfreundschaft durch. Es ist kein Entweder-oder, sondern ein echtes Sowohl-als-auch – und ich lebe beide Seiten bewusst, je nachdem, was gerade gefragt ist.
Bereits mit 26 Jahren übernahmen Sie die HR-Verantwortung in einer internationalen Hotelgruppe. Nebenbei haben Sie promoviert, betreuten als verantwortliche Dozentin studentische Abschlussarbeiten und bilden sich aktuell weiter. Hat Ihr Tag etwa mehr als 24 Stunden?
(Lacht.) Das fragen mich tatsächlich viele. Aber wenn man liebt, was man tut, dann ist das keine Belastung, sondern eine Bereicherung. Ich bin ein sehr strukturierter Mensch und weiß genau, wann ich wo meine Energie einsetze. Aktuell bilde ich mich an der Universität St. Gallen im Bereich Finanzen und Controlling weiter, um mein unternehmerisches Verständnis noch stärker auszubauen – besonders im Zusammenspiel mit meiner Rolle im HR. Und ja, manchmal fühlt es sich an, als hätte mein Tag mehr als 24 Stunden – aber es ist vor allem eine Frage von Fokus, Klarheit und Leidenschaft. Gleichzeitig ist es mir wichtig, nicht stehenzubleiben. Ich glaube daran, dass Lernen ein lebenslanger Prozess ist. Und ich liebe es, Theorie mit Praxis zu verbinden, das zieht sich wie ein roter Faden durch meinen Werdegang. Egal ob im Unternehmen, als Dozentin oder in der Begleitung von Studienarbeiten: Mir geht es immer darum, Menschen zu befähigen, größer zu denken und mutig zu handeln gerade in komplexen, multikulturellen Umfeldern.
Auch im Business ist der Umgang mit Menschen aus verschiedenen Kulturen für Sie Alltag. Gibt es für einen ultimativen Tipp für „Culture Harmony“ im Team?
Offenheit und echtes Interesse. Wer nur auf Basis seiner eigenen Werte und Denkweise urteilt, wird schnell an Grenzen stoßen. Aber wenn man wirklich zuhört, nachfragt und bereit ist, andere Perspektiven zu verstehen, entsteht Verbindung. Für mich ist es essenziell, einen Raum zu schaffen, in dem Unterschiede nicht als Problem gesehen werden, sondern als Potenzial. Das bedeutet auch, sich selbst immer wieder zu hinterfragen: Welche Annahmen bringe ich mit? Wo urteile ich vielleicht vorschnell? Culture Harmony beginnt nicht beim Gegenüber, sie beginnt bei einem selbst. Ich erlebe oft, dass Missverständnisse nicht aus böser Absicht entstehen, sondern aus mangelndem Wissen über die Denkweise oder Kommunikationskultur der anderen Person.
Deshalb setze ich im Team auf Klarheit, Feedback und einen offenen Dialog. Fehler dürfen gemacht werden, wichtig ist nur, dass wir sie nutzen, um voneinander zu lernen. Kulturelle Vielfalt ist kein „Nice-to-have“, sondern ein echter Wettbewerbsvorteil, wenn man bereit ist, aktiv damit zu arbeiten.
Was sind die Vorteile multikultureller Teams und Organisationen?
Multikulturelle Teams bringen mehr Perspektiven, mehr Kreativität und auch mehr Innovationskraft. Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen stellen andere Fragen, bringen andere Lösungsansätze mit und genau das ist ein riesiger Vorteil. Natürlich braucht es dafür ein gutes Verständnis füreinander und manchmal auch etwas Geduld, aber der Mehrwert ist enorm. Wer es schafft, Diversität strategisch einzusetzen, ist langfristig erfolgreicher.
Solche Teams erkennen Herausforderungen früher, weil sie die Welt nicht durch einen einzigen kulturellen Filter sehen. Sie spiegeln unsere globale Gesellschaft wider, sei es in der Hotellerie, im Kundenkontakt oder in der Produktentwicklung. Diese Vielfalt führt zu mehr Empathie und besserer Anpassungsfähigkeit, weil unterschiedliche Sichtweisen mitgedacht werden.
Gleichzeitig lernen alle Teammitglieder, flexibler zu denken und gewohnte Denkmuster zu hinterfragen. Es entsteht ein Raum für Innovation, nicht, weil alle gleich denken, sondern gerade, weil sie verschieden sind. Das setzt natürlich voraus, dass Vielfalt nicht nur auf dem Papier steht, sondern aktiv gelebt wird. Dafür braucht es Führungskräfte, die bewusst Räume schaffen, in denen jede Stimme gehört wird, unabhängig von kulturellem Hintergrund oder Kommunikationsstil.
Ich bin überzeugt: Unternehmen, die heute kulturelle Vielfalt als strategische Ressource begreifen, sichern sich den Erfolg von morgen.
Wie stellen Sie sich das Team der Zukunft vor?
Das Team der Zukunft ist vielfältig, agil und emotional intelligent. Es denkt nicht mehr in klassischen Hierarchien, sondern in Kompetenzen. Unterschiedliche Perspektiven werden nicht nur eingebunden, sondern bewusst gefördert. Für mich spielen auch Werte wie Empathie, Eigenverantwortung und kulturelle Kompetenz eine zentrale Rolle, denn in einer globalisierten Welt sind das die wahren Erfolgsfaktoren.
Das bedeutet auch: Zusammenarbeit wird nicht mehr durch Positionen oder Titel definiert, sondern durch gegenseitiges Vertrauen und eine klare gemeinsame Vision. Es geht darum, Talente zu erkennen, unabhängig von Herkunft, Alter oder Lebenslauf, und sie gezielt zu fördern. Teams werden zunehmend interdisziplinär, generationenübergreifend und divers zusammengesetzt sein und das ist eine große Chance.
Das Team der Zukunft ist lernbereit, reflektiert und offen für Veränderung. Es nutzt technologische Möglichkeiten, ohne den Menschen aus dem Blick zu verlieren. Führung verändert sich in diesem Kontext ebenfalls – weg vom klassischen Top-down-Ansatz hin zu einer unterstützenden, fördernden Rolle, in der Führungskräfte eher als Coaches und Kulturträger agieren.
Für mich steht fest: Teams, die in der Lage sind, sich ständig weiterzuentwickeln, wertschätzend miteinander umzugehen und dabei Vielfalt als Stärke zu leben, werden nicht nur produktiver, sondern auch resilienter gegenüber Krisen und Veränderungen sein.
Zu diesem Thema haben Sie auch ein Buch geschrieben. Wer sollte „Vom Culture Clash zur Culture Harmony“ lesen?
Alle, die mit Menschen arbeiten, vor allem in internationalen oder diversen Teams. Mein Buch richtet sich besonders an Führungskräfte, HR-Verantwortliche und Entscheidungsträger, die kulturelle Unterschiede nicht als Herausforderung, sondern als Chance verstehen wollen. Es geht darum, ein neues Bewusstsein zu schaffen und konkrete Werkzeuge an die Hand zu geben, wie man kulturelle Vielfalt im Arbeitsalltag aktiv gestalten kann.
Ich teile darin nicht nur theoretisches Wissen, sondern auch viele persönliche Erfahrungen und Praxisbeispiele aus der Hotellerie, dem HR-Bereich und meiner eigenen interkulturellen Reise. Es soll Mut machen, neue Wege zu gehen auch dann, wenn es unbequem wird. Denn echte „Culture Harmony“ entsteht nicht durch oberflächliche Maßnahmen, sondern durch Haltung, Reflexion und konsequentes Handeln.
Das Buch soll zum Nachdenken anregen, zum Perspektivwechsel ermutigen und konkrete Impulse für eine inklusive, zukunftsfähige Arbeitskultur geben jenseits von Schlagworten und symbolischen Maßnahmen. Für Menschen, die Brücken bauen möchten zwischen Kulturen, Teams und Denkweisen. Und für alle, die sich fragen: Wie können wir in einer Welt voller Unterschiedlichkeiten gemeinsam wachsen?
Die Expertin
Dr. sc. Büsra Bakar, Jahrgang 1997, ist gebürtige Wienerin mit türkischen Wurzeln und hat von Kindheit an zwischen zwei Kulturen gelebt. Das Thema „multikulturelles Umfeld“ begleitet sie schon ihr ganzes Leben, privat wie beruflich. In allen ihren beruflichen Stationen ging es um stark multikulturelle Umgebungen, die sie intensiv geprägt haben. Heute beweist sie in ihrer aktuellen Position als HR-Verantwortliche der ARCOTEL Gruppe mit Hotels in Österreich und Deutschland täglich aufs Neue, welch spezielle Bedeutung der Entwicklung einer harmonischen Unternehmenskultur durch multikulturelle Resilienzstrategien zukommt.
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